Während der Pandemie in Deutschland studieren

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Die beiden Studierenden Olamide und Rao geben einen Einblick in die Situation internationaler Studierender

Der Start ins Studium fern von daheim ist immer ein großer Schritt. Keine Kochabende oder Erstsemesterpartys: 2020 verbrachten Studierende den Großteil ihrer Vorlesungszeit allein vor ihren Rechnern. Olamide Ahmed-Macaulay und Rao Maaz Bin Khalid engagieren sich als Wohnheimtutor*innen in Potsdam und Wildau. Als erste Anlaufstelle bei Fragen wissen sie, mit welchen Herausforderungen sich vor allem internationale Studierende in dieser Zeit konfrontiert sahen. Das Interview wurde aus dem Englischen übersetzt.

Hallo, ihr beiden! Was studiert ihr und seit wann lebt ihr in Deutschland?

OM: Ich studiere Biochemie und Molekularbiologie im 5. Semester an der Universität Potsdam. Ich komme aus Nigeria und lebe seit 2018 in Potsdam.

RB: Ich lebe seit 2016 in Deutschland und komme aus Pakistan. Aktuell studiere ich im 2. Semester Wirtschaftsingenieurwesen an der TH Wildau.

Als Wohnheimtutor*innen begrüßt ihr Erstsemesterstudierende und habt viel Kontakt zu internationalen Studierenden. Wie habt ihr die Ankunft der neuen Studierenden erlebt? Könnt ihr einmal beschreiben, wie sich der Start ins Studium unter Pandemiebedingungen für sie gestaltete?

OM: Sie waren ganz klar überfordert und wussten oft nicht, woher sie die notwendigen Informationen bekommen sollten.

RB: Sie kamen mit der Erwartung nach Deutschland, hier Freundschaften zu schließen und die üblichen Dinge zu tun, die ein Studentenleben ausmachen. Diese Erwartungen wurden jedoch enttäuscht. Die Einsamkeit führte bei manchen zu Depressionen. Man konnte sich ja nur digital austauschen und nachdem man schon einen Großteil seiner Zeit am Bildschirm verbrachte, hatte man nicht die Ausdauer, an noch mehr digitalen Events teilzunehmen. Da alle kulturellen Veranstaltungen abgesagt wurden, war es noch schwieriger, die hiesige Kultur kennenzulernen.
Die Kommunikation mit der Ausländerbehörde war schwierig. Ich finde es außerdem problematisch, dass es in Wildau außer den Haumeistern keine festen Ansprechpartner*innen vom Studentenwerk Potsdam für Studierende gibt. Positiv war, dass es aufgrund des Online-Semesters mehr freie Wohnplätze gab, sodass zumindest die Wohnplatzsuche nicht so ein großes Problem darstellte.

Welche Institutionen und Ansprechpartner*innen haben die internationalen Studierenden als hilfreich erlebt?

OM: Das International Office der Universität Potsdam und in einigen Fällen auch die Studienkommission.

RB: Die Buddys aus dem Buddy-Programm der TH Wildau und auch uns Wohnheimtutor*innen. Wir sind in der Regel die ersten Anlaufstellen, wenn man gerade nicht weiter kommt und Fragen hat.

Wie sieht es mit sozialen Kontakten aus? Konnten die Studierenden trotz Social Distancing Freundschaften knüpfen?

OM: Ja, die meisten allerdings ausschließlich mit anderen internationalen Studierenden.

RB: Fast jedes Wohnheim hat eine Messenger Gruppe (WhatsApp oder Telegram). Über diese Community war es möglich, Freunde zu finden.

Wie habt ihr den Wechsel von der Präsenz- zur Onlinelehre empfunden?

OM: Ich befinde mich bereits in der Abschlussphase meines Studiums und kann nichts aus eigener Erfahrung berichten. Die anderen scheinen sich schnell an die neuen Abläufe gewöhnt zu haben. Die Dozent*innen geben sich Mühe, auch die Online-Kurse so interaktiv wie möglich zu gestalten. Trotzdem vermissen die Studierenden die Anwesenheit vor Ort.

RB: Am Anfang fiel es mir einerseits schwer mich daran zu gewöhnen, andererseits spare ich viel Zeit dadurch, dass ich mich morgens nicht fertigmachen und zur Uni gehen muss. Ich finde es auch gut, dass die Vorlesungen zum Teil aufgenommen wurden und ich sie mir jederzeit anschauen konnte. Nachteile sind die Rückenschmerzen durch das viele Sitzen und auch die tristen Gedanken, die manchmal aufkommen. Die deutsche Sprache ist für mich kein Problem – im Gegenteil: Durch die Übertragung verstehe ich die Dozent*innen sogar besser. Theoretische Themen kann ich zuhause effizienter bearbeiten, aber die Praxis - zum Beispiel in Laboren - ist ein unerlässlicher Bestandteil des Studiums.  

Wie sieht ein typischer Tag bei euch aus?

OM: Ich schreibe meine letzten Protokolle, um die Kursmodule abzuschließen, lerne Deutsch und dann gehe ich in meinem Nebenjob als COVID-Testerin in einer Seniorenwohnanlage in Berlin arbeiten. Auf das Angebot bin ich über eine studentische WhatsApp-Gruppe aufmerksam geworden.

RB: Um 4.30 Uhr stehe ich auf und mache mir einen Kaffee. Danach trage ich fast eineinhalb Stunden lang Zeitungen aus. Ich habe mir diesen Minijob extra als Motivation zum frühen Aufstehen ausgesucht. Außerdem ist er eine gute Alternative zu meinem Morgenspaziergang. Wenn ich wieder nach Hause komme, dusche ich, setze mich an meinen Rechner und nehme an der Vorlesung teil – oder ich gehe ins Labor. Schluss habe ich normalerweise gegen 15 Uhr. Dann mache ich für zwei Stunden ein Nickerchen. Zwischen 18 und 20 Uhr mache ich was mit Freunden, zum Beispiel Online-Spiele. Danach koche ich und gehe spätestens 23 Uhr ins Bett.

Welche Unterstützung für internationale Studierende fändet ihr sinnvoll?

OM: Einen finanziellen Zuschuss für Deutsch-Intensivkurse und mehr Programme zur Integration internationaler Studierender. Außerdem eine Anlaufstelle, die dabei hilft, sich auf dem deutschen Arbeitsmarkt zurechtzufinden.

RB: Internationale Studierende sollten allgemein besser über ihre Rechte informiert werden. Bisher bin ich auf keine Einrichtung gestoßen, die sich für die Rechte und den Schutz dieser Gruppe einsetzt. Die International Offices an den Hochschulen haben andere Schwerpunkte, ebenso das Studierendenparlament. Mit Hinblick auf das Ende der Pandemie wünsche ich mir mehr kulturelle Veranstaltungen, damit wieder mehr Normalität eintritt.

Vielen Dank!

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Engagiert sich als Wohnheimtutorin in Potsdam: Olamide Ahmed-Macauly
Wohnheimtutor Rao Maaz Bin Khalid setzt sich dafür ein, dass internationale Studierende gut in Wildau ankommen.